Und schon wieder bin ich weg, 'fott' wie wir im Rheinland sagen oder nach der Kinovorlage von George Clooney's "up in the air" aber 'in echt'! Was mache ich denn sonst so auf langen Flügen und langweiligen Abenden in fernen Hotelbetten...na ja lesen, Musik hören, Zeit totschlagen...und genau letzterem ist mir meine Zeit nun doch plötzlich zu schade und mein Vorsatz ist es, auch persönlich das Beste aus meinen vielen Reisen rauszuholen
Donnerstag, 12. Juli 2012
Anarchie auf Indiens Straßen
Man glaubt es nicht, man muss es sehen, spüren und vor Allem hören! In Indien herrscht Anarchie, zumindest auf den Straßen. Jeder macht was er will. Es gibt nur eine Regel, es gibt keine Regeln! Aber der Reihe nach: das Leben auf der Straße fängt ja für gewöhnlich als Fußgänger an...auch wenn Babys getragen oder geschoben werden. Letzteres kann man in Indien schon mal ausschließen, den Kinderwagen kann man sich sparen, den habe ich auch noch nie irgendwo in Indien gesehen. Indische Frauen tragen ihre Kinder, anders ist auch nicht möglich sich sicher fortzubewegen, denn es gibt oft gar keine oder nur kaputte Gehwege. Ich frage mich, wer die Gehwege mal angelegt hat, um Sie von da an einfach zu vernachlässigen und verkommen zu lassen. Bisweilen ist es auf dem Gehweg gefährlicher zu laufen als auf der Straße, zumindest kann ich hier nur mit offenen Augen und gesenktem Blick gehen, um nicht in einem der vielen Löcher zu stolpern oder gar zu verschwinden. Wenn mal irgendwo unter dem Pflaster ein Schaden war, dann wird der wohl behoben worden sein, doch das heißt nicht, dass nach dem Aufreißen des Pflasters dieses wieder hergestellt wird. Manchmal fehlen die Kanaldeckel, ich glaube es war in Chennai, wo die neuen Deckel auch gerne beim Schrotthandel zu Geld gemacht wurden.
Neben diesen baulich problematischen Zuständen der Bürgersteige werde diese auch anders von ihren Bürgern benutzt, nämlich als Wohnstatt. Von unten sind diese Orte trockener und sauberer als der sonstige Dreck und man schlägt einfach seine Plane auf, um mit der ganzen Familie auf dem Gehsteig zu wohnen, zu leben und den Rest im Rinnstein zu erledigen. Wer es von den Armen noch nicht zu einer Plane gebracht hat, schläft ansonsten so direkt auf dem Gehweg - den lieben langen Tag lang. Gandhi 2.0 fehlt leider noch, der früher jeglichen Müßiggang ablehnte und Handarbeit, Wolle spinnen etc. als geeignete Beschäftigung für Alle empfahl. Was wäre heute die entsprechende Empfehlung? Ich weiß es nicht. Zu tun gibt es genug, alleine um alle Dreck- und Trümmerhaufen überall weg zu räumen und vielleicht sogar die Gehwege wieder herzustellen.
Irgendwann kommt dann das Bedürfnis auch bei den Indern, sich schneller fortzubewegen. Zuerst mit dem Fahrad, was allgegenwärtig ist und für den Transport aller Lasten und Personen verwendet wird. Mit Gottvertrauen stürzen sich die Fahradfahrer in den laufenden Autoverkehr. Das gilt auch für die Schulkinder, wenn sie nicht in überfüllten Bussen stehen oder in ebenso überfülten 3-Rädern, tuck-tucks von und zur Schule fahren. Dann schauen schon mal geschätzte 5-8 fröhliche Kindergesichter aus einem tuck-tuck, wo normalerweise zwei Passagiere hinter dem Fahrer Platz haben. Die Frage, wieviele Menschen in einen Bus passen, wird jeden Tag versucht aufs neue zu beantworten. Übervoll ist die einzig zutreffende Beschreibung für die herausquellenden Menschenmassen, doch Mißmut und Bitterkeit sehe ich nicht in den Gesichtern, eher Gleichmut, es ist wie es ist und im nächsten Leben ist es vielleicht besser. In einer örtlichen Zeitung las ich, dass in einem indischen Staat im letzten Jahr nur durch Busse ca. 2000 Tote zu beklagen waren! Das wäre ja mal ein Ansatz, Busfahrer so zu schulen, wie wir es in den meisten zivilisierten Ländern dieser Welt machen. Sicherheit und Verkehrsregeln könnten dort anfangen. Aber das ist wahrscheinlich zu ambitioniert in einem Land, indem man sich den Führerschein kauft. Prüfungen gibt es nicht, so wurde mir gesagt. So gibt es auch nicht wirklich Verkehrsregeln, Schilder oder Ampeln, die beachtet werden. Warum bei rot halten, wenn es doch vielleicht noch klappt, die Kreuzung zu überqueren? Jeder fährt wie er will, vorzugsweise links, weil man dann doch schneller ist, rechts geht aber auch, wenn es noch schneller geht. Ohne eine Einrichtung geht allerdings gar nichts, ohne Hupe! Es wird gehupt was dieselbe hergibt. Dauerhupen ist am coolsten und auf dem Wagen steht hinten auch noch "please horn". Es hilft nicht, aber nach einem Tag im Verkehr bin ich geschafft alleine von der Lautstärke. Hier herrsccht pure Anarchie und jeder fühlt sich im Recht. Schön zu sehen, wie sich dann einige Auslandsinder bemühen, Regeln im Chaos einzuführen, doch es wird vergeblich sein. Mit einem neuen Auto oder sogar einem Luxusauto durch Mumbai zu fahren treibt deutschen Autofreunden Tränen in die Augen. Die Schlaglöcher sind das Eine, doch die Kratzer und Beulen durch Millionen andrer Verkehrsbeteiligter das Andere.
Jetzt gibt es viele Metrocities, die in öffentlichen Personennahverkehr investieren, doch auch das ist eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Es werden überall Hochbahnen errichtet, z.B. In Chennai. Geplant war mal eine Metro Line,dann stellte man während des Baus fest, dass das uU zu teuer ist und plant während des Baus auf Mono-Rail um. Was dabei raus kommt ist organisiertes Chaos, Budgetüberschreitungen, Korruption, Verspätungen...mangelnde Qualität. In Delhi ist die Metro gerade deswegen wieder stillgelegt worden, weil die erst vor 1-2 Jahren eröffnete Linie nun Risse in den Brückenträgern aufweisen, wundern tut es mich nicht.
Dennoch, Anarchie hat auch System und funktioniert. Manchmal mit der Hupe, meistens mit einem Lächeln, es wird nicht so ernst genommen, denn es gibt ja noch das nächste Leben, um es besser zu machen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen